Auf einsamen Bergwegen über unbekannte Pässe
BUS
Martigny, Etroubles
ZU FUSS
Etroubles, Bezet,
Magna Pointier, Chaz di Pointier, Col Champillon, Champillon, Les Prunayes,
Ollomont, Cheillon, Semon, Tholles, Verzignoletta, Cortelette, Gran Verzignola,
Arpeyssalou, Col d'Arpeyssalou, Colle di St. Barthelemy, Alpe Vachoura, Col
Leche, Alpe Leche, Alpe Chaleby, Alpe Pleoules, Alpe Veplace, St. Barthelemy,
Issologne, Alpe Preles, Col de la Fenetre, Chatelard, Brusoney, Gilliarey,
Fomace, Rifugio Barmasse
Der Bus wird mich heute wieder nach Italien bringen. Abbildungen
von Bernhardinerhunden allüberall: Aussen aufgemalt, innen auf den Bezugsstoffen
von Sitzen und Kissen - etwas viel davon, wie ich meine.
Und dann bin ich wieder in Etroubles auf der italienischen Seite des
Passes.
Das Relief lässt die zu erwartenden Schwierigkeiten erahnen. Die den Alpen entlang führende Route quert alle Täler, die von den Gipfeln ins Valle d'Aosta hinunterführen. Ein ständiges Auf und Ab.
Die Wanderung beginnt nicht gerade gut. Der auf der Karte verzeichnete
Wanderweg existiert offenbar nicht mehr. Nach einem steilen Anstieg durch
gemähte Wiesen und dem Überklettern einiger Steinwälle finde ich aber dann doch
den richtigen Weg.
Es ist schön hier oben. Immer weiter hinauf geht es, zuerst einem
rauschenden Bergbach entlang ...
dann folgt der Weg einem steilen grasigen Abhang. Weit unten in der
Tiefe ist Etroubles zu sehen.
Dann verliert sich der Weg in einer grasigen Mulde.
Aber der kleine
Steinmann auf dem Col Champillon bestätigt schliesslich, dass ich mit der
Querung des Hangs auf der rechten Seite und dem direkten Aufstieg zum Sattel den
richtigen Entschluss getroffen habe.
Nach der Überschreitung eines Passes öffnet sich das Tal zu immer wieder
anderen und beeindruckenden Ausblicken.
Ab und zu liegen auf einsame Häuser am Weg. Aber meine ursprüngliche
Absicht, Brot und Käse auf den Alpen zu kaufen und mir damit den Weg ins Tal
hinunter zu ersparen, erweist sich als nicht durchführbar. Viele der auf der
Karte verzeichneten Alpen sind nicht mehr bewirtschaftet, die zerfallenden
Häuser stehen leer.
Andere Alpen hingegen werden durch neue Strassen oder Bahnen erschlossen. An
einigen Orten sind intensive Renovierungsarbeiten im Gange. Auch für die
Unterhaltung der Kühe ist gesorgt, manchmal ist es zwar nur ein vorübergehender
Wanderer, aber immerhin.
Zwei Pässe habe ich heute
geschafft, es bleibt nur noch der dreistündige Abstieg ins Dorf. Auf der anderen
Talseite ist mit dem Aufstieg zum Sattel am Gegenhang bereits das Pensum
des nächsten Tages zu sehen.
Hundemüde nach zwölf Stunden Marsch, zuletzt durch dichtes Gebüsch und hohes
Gras, und überglücklich, ein Restaurant und ein Zimmer gefunden zu haben, komme ich am Abend in St.
Barthelemy an.
Aber auch das mitgenommene Zelt erweist mir gute Dienste, wenn mal, wie zum Beispiel in St. Jacques, alle Unterkünfte voll belegt sind. Der Hotelbesitzer hat mir freundlicherweise erlaubt, mein Nachtlager hinter seinem Haus aufzuschlagen. Danke schön! Essen und Unterkunft sind jedesmal hochwillkommen.
Allein in den Bergen unterwegs zu sein, birgt gewisse Risiken. Die selbst in den kleinsten Weilern vorhandenen Telefonzellen sind deshalb für mich wichtig. Ich rufe regelmässig zu Hause an, um meiner Frau zu sagen, wo ich gerade bin und was ich als Nächstes vorhabe. Die Verbindung in die Schweiz kommt immer problemlos zustande und ist ausgezeichnet - falls man die zum Telefonieren erforderliche und in verschiedenen Geschäften erhältliche "Carta Telefonico" dabei hat.
Bei meinem frühen Start am morgen bleibt oft nur ein bescheidenes Frühstück
vor dem Haus. Frühstück im Haus gibt es meist erst ab halb acht. Aber um diese Zeit bin ich
bereits seit drei Stunden unterwegs.
Die alten Bergwege sind offenbar mit unendlicher Arbeit von vielen
Generationen angelegt und immer wieder verbessert worden.
Frühmorgens um neun habe ich den bereits den ersten Pass des Tages hinter
mir. Die Sonne kommt und wärmt mich bei einer kurzen Rast.
Doch dann geht es weiter, zum nächsten Tal, zum nächsten Pass ... Es gibt viele kleine
Dörfer am Ende dieser Täler. Eines davon ist Rima.
Nur noch drei Personen
leben das ganze Jahr über hier.
Mit dem Projekt der "Grande Traversata
delle Alpi" - einem kartografierten Wanderweg vom Simplonpass bis nach Nizza -
soll mit sanftem Tourismus versucht werden, diesen kleinen Weilern in den Alpen
wieder eine Existenzgrundlage zu verschaffen.
Auf unterschiedlichen Wegen, mal ausgesetzt und steil,
mal breit und flach,
erreiche ich am Abend des dritten Wandertages das von zwei Frauen
bewirtschaftete Rifugio Barmasse.
Die Vorstellung, in diesem Haus direkt unterhalb der Staumauer leben zu
müssen, verursacht mir allerdings ein gelindes Unbehagen. Aber die Müdigkeit und der freundliche Empfang lassen auch diese Bedenken schnell verschwinden.