Nach der extrem nebligen Nacht hat es aufgeklart. Bei Sonne geht es als Erstes vorbei an der gleichnamigen Gondelbahn-Bergstation hinauf auf den Hügel La Berra. Die uneingeschränkte Rundumsicht von hier oben ist wirklich sehenswert!
In stetigem Auf und Ab geht es danach weiter in Richtung Auta Chia d'Amont. Wir wundern uns, wie es die hier weidenden Kühe wohl fertigbringen, jeden ihrer Kuhfladen mit einem kleinen, kreisrunden Loch zu versehen und wir bewundrn die kunstvollen Treppen, die diese Tiere an den steilan Hänge eingetreten haben. In Auta Chia d'Amont erwartet uns ein angriffiges Gänsepaar. das sich sofort auf unsere nackten Beine stürzt. Unsere Wanderstöcke erweisen sich jetzt auch für die Gänseabwehr als recht nützlich. Hier bekommen wir dann einen kleinen Imbiss und wir sehen mit Vergnügen, wie die Wirtin versucht, mit in eine Flasche abgefülltem Wasser - sie nennt es "anti poule" - die Hühner davon abzuhalten, alle Topfblumen auf den Fenstersimsen ratzekahl abzufressen. Wie man an deren kümmerlichen Überresten sehen kann, mit wenig Erfolg.
Der nun folgende Weg in Richtung La Balisa führt durch einen Wald, der von Bodennässe richtiggehend durchtränkt ist. Die von Soldaten an einigen besonders prekären Stellen verlegten Bretter sind zum Passieren der oft bodenlos schlammigen Stellen von grossem Nutzen. Die Feuchte ist aber auch der Nährboden für ausgefallene und wunderschöne Blumen, die es hier reichlich zu sehen gibt.
In La Balisa erfahren wir von der Sennerin, dass die halbzerfallene Baumsäge auf dem Hügel oberhalb ihrer Alpwirtschaft vor nur elf Jahren noch dazu verwendet wurde, das Bauholz für das in diesem Jahr neu aufgebaute grosse Sennereigebäude von La Balisa zu schneiden. Das hier ansässige Ehepaar bewirtet und beherbergt hier nicht nur Gäste, sondern kümmert sich auch noch um ihre beiden Kinder - beide erhalten Ihren Schulunterricht von ihren Eltern - und um neunzig Rinder, dreissig Milchkühe und zehn Schweine. Chapeau, welch grossartige Leistung!
Von La Balisa folgen wir dem steilen und teilweise betonierten Weg hinunter nach Bad Schwarzsee, wo wir - nach einem kurzen Abstecher zum sehenswerten Wasserfall kurz vor Erreichen des Talgrundes - im gleichnamigen Hotel auch eine nette Unterkunft und ein ebensolches Nachtessen bekommen.
Man sollte Karten und GPS Empfänger nicht nur mittragen, sondern auch ab und zu einen Blick darauf werfen. Wenn wir diesen Ratschlag heute früh beherzigt hätten, wäre uns der Abstecher hinauf nach Unteri Rippa und Brecca und der nachfolgende Umweg zum Stierenberg sicher erspart geblieben. Wir hätten dann aber auch die tolle Aussicht hinunter zum Schwarzsee nicht zu sehen bekommen, und das wäre dann wirklich schade gewesen. Auf eine gutem Fahrweg steigen wir dann hinauf zum Euschelspass, von wo es auf grasigen Wegen steil hinunter nach Jaun geht. Dort angekommen bewundern wir den Wasserfall und das kleine Kraftwerk gleich nebenan und stärken uns für den nachfolgenden anstrengenden Teil hinauf zum Chalet du Soldat.
Der Wasserfall von Jaun
Die Herkunft des Wassers des Wasserfalls bei Jaun war während vieler Jahre ein grosses Rätsel. Niemand wusste, woher die Unmengen an Wasser stammten. Im Juni stürzen bis zu 6'000 Liter pro Sekunde aus dem grossen Loch in der Felswand. Ein spektakulärer Anblick! Bereits 1928 zeigte ein erster Färbeversuch im Tal "Les Morteys" - es ging darum, das hoch gelegene Tal auf seine Tauglichkeit für einen Stausee zu prüfen - dass zumindest ein Teil des Wassers aus diesem Tal stammte. Nach elf Tagen erschien das gefärbte Wasser im Wasserfall von Jaun. Damit musste auch das Stauseeprojekt aufgegeben werden. Im Jahre 1980 wurden genauere Färbeversuche durchgeführt. Dabei fand man heraus, dass das Wasser in Jaun von verschiedenen Orten stammt.
Verschiedene frühere Versuche von Tauchern, bei geringer Wasserführung die Höhle hinter dem Wasserfall von unten her zu erkunden, endeten auf der Sohle eines engen, 60 Meter tiefen Schachts, der sich 140 Meter vom Höhleneingang befindet. Im März 1989 dringt der Freiburger Jacques Brasey vom Klub der Freiburger Höhlenforscher (SCPF) bis zu einer 250 Meter vom Höhleneingang entfernten Felsgalerie vor, die in 80 Metern Tiefe liegt. Im Februar 2009 schafft es dann ein Taucher aus Genf bis auf 300 Meter vom Höhleneingang. Wegen der tiefen Klüfte, der starken Strömung in den horizontal verlaufenden Gängen und der Enge gewisser Passagen ist das auch heute noch ein hochriskantes Unternehmen.
Jaun - Chalet du Soldat
Der erste Teil diese Anstiegs ist nass, von Wurzeln und Steinen
durchsetzt und teilweise recht rutschig. Wir staunen daher nicht
schlecht, als uns ein junges Paar entgegenkommt: Er trägt leichte und
glatte Turnschuhe, Sie trägt Flip-Flops und, um dem Ganzen etwas mehr
Würze zu verleihen, ein in Tuch gewickeltes Kleinkind vor der Brust.
Wenn das bloss gut geht ...
Der Weg hinauf zum Tagesziel zieht sich. Für etwas Abwechslung
unterwegs sorgt das "Grossmutterloch", eine Öffnung in der schroffen
Felswand der Sattelspitzen, die ein Teil der Gastlosen sind. Gemäss der
Sage soll der Teufel in einem Wutanfall über seine Grossmutter die
Felswand durchschlagen haben. An den dafür geeigneten Standorten Gross
Rüggli, Schattenhalb, Chli Sattel und Unter Sattel ist insgesamt sechs
Mal im Jahr zu bestimmten Tageszeiten die Sonne zu sehen.
Es war ein recht anstrengender Tag, und der freundliche Empfang, die
Unterkunft und das feine Nachtessen im Chalet du Soldat sind uns hoch
willkommen. Und nicht zuletzt ist auch die Aussicht von der Terrasse
dieses Berggasthauses in Richtung Süden sehr beeindruckend und
wunderschön!
Es ist noch recht frisch, als wir kurz vor acht Uhr nach einem reichhaltigen Frühstück das Berghaus Chalet du Soldat verlassen. Aber bald einmal färbt die aufgehende Sonne die Bergspitzen rosa und es wird bald einmal wärmer. Wir folgen der Route aus dem Buch. Zuerst zum Haus Im Roten Herd, dann durch von den Kühen völlig zertrampelte Wiesen und schlammige Wegstellen am Schluss teil hinunter zum Petit Mont. Auf der guten Fahrstrasse gelangen wir im leichten, aber steigen Anstieg hinauf zum Sattel bei La Gueyre. Hier sehen wir, dass es möglich wäre, diesen Ort vom Chalet du Soldat auch ohne den Ab- und den anschliessenden Anstieg zu erreichen. Dazu müsste man aber gleich vom Chalet weg dem Bergweg in Richtung Wolfsort folgen. Aber sei's drum.
Gleich nach der Alphütte La Gueyre geht ein schmaler Weg rechts ab. Er folgt zuerst dem Hang und fällt dann steil ab durch zertrampelte Wiesen hinunter nach La Feguelena, wo sich ein grosser Parkplatz befindet. Hier lassen zahlreiche Wanderer ihre Autos stehen, um die aussichtsreiche Runde nach Ciernes Picat und zurück unter die Füsse zu nehmen. Ein Alpabzug sorgt für Abwechslung, als wir von hier aus in Richtung Le Sori weiter wandern. Hier gibt es eine feine Käseplatte und eine wohlverdiente Rast. Kurz nach verlassen dieses Orts in Richtung Ciernes Picat sehen wir rechts vom Weg eine andauernd laut muhende Kuh mit grotesk angeschwollenem Euter. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass ihr offenbar vor kurzer Zeit geborenes Kalb völlig entkräftet und möglicherweise schon tot auf dem Boden liegt. Mit dem Mobiltelefon erreichen wir nach etlichem herum telefonieren schliesslich die Kantonspolizei des Kantons Freiburg, wo uns jemand verspricht, dass man sich darum kümmern wird. Dank GPS können wir den genauen Standort der Kuh durchgeben. Alles Gute, Kuh-Mama!
Durch ein idyllisches Tal erreichen wir Ciernes Picat. Unterwegs beeindrucken uns die alten Bäume, die sich an verschiedenen Orten auf Felsbrocken angesiedelt haben und diese mit ihren Wurzeln umklammern. Sie bieten ein eindrückliches Bild von den unbändigen Überlebenskräften der Natur! Ab Ciernes Picat geht es dann auf einer kleinen Teerstrasse bergab und talauswärts. Vor der Brücke über den Ruisseau des Ciernes Picat verlassen wir die im Buch beschriebene Route und folgen dem kleinen Fussweg, der schmal und teilweise etwas ausgesetzt an einer Felswand entlang nach Süden führt. Wir komen wiedr auf eine Teerstrasse. Für den direkten Weg über einen weiteren Hügelzug haben wir keine Lust mehr. Darum folgen wir der asphaltierten Strasse hinunter bis nach Rougemont.
Hier wartet bereits der Eisenbahnzug "Golden Express". Er bringt uns via Gstaad nach Zweisimmen, von wo wir schliesslich mit der BLS nach Hause fahren. Damit sind weitere vier Etappen auf dem noch vor uns liegenden Weg nach Zermatt geschafft.
Bis zum nächsten Mal ...
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