Italien - Radwandern - Reiserad

Sizilien per Rad

Anreise und erste Fahrradkilometer: Bern - Catania - Lentini - Sortino

Catania - SortinoDer Wecker klingelt um drei Uhr in der Früh. Da der Flieger in Belp bereits um sechs Uhr morgens abhebt, müssen wir spätestens um fünf Uhr fünfzehn dort sein. Es regnet heftig und ist stockdunkel, als wir uns mit dem Auto auf den Weg zum Flughafen machen. Nachts bei solchen Bedingunen Auto zu fahren gehört sicher nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, zumal auf der Autobahn die stark reflektierenden Schilder und die extrem hellen Bauscheinwerfer bei Bern Wankdorf stark blenden und die Sicht erheblich beeinträchtigen. Um vier Uhr vierzig kommen wir in Belp Flughafen an, laden alles aus und stellen das Auto auf den Parkplatz 31. Unser Sohn wird es dort abholen.

Beim Einchecken wird uns einmal mehr gesagt, dass wir die Luft aus den Fahrradreifen ablassen müssen, damit diese während des Fluges nicht platzen. Da wir keine Passagiermaschine kennen, deren Frachtraum nicht genauso wie der Passagierraum über einen Druckausgleich verfügt, die Angestellte am Checkin aber nicht verärgern wollen, senken wir den Luftdruck auf zirka zwei bar. Als wir den Sicherheitscheck passieren, sehen wir einen Mann unsere Räder mit komplett platten Reifen zum Flugzeug schieben - er hat die Luft vollständig und selber aus allen Reifen abgelassen. Das beträchtliche Risiko, dabei die Felgen, die Reifen und auch die Schläuche zu beschädigen, ist ihm offensichtlich nicht bewusst oder völlig egal. Wenn das bloss gut geht ...

Um sechs Uhr fünf hebt das Flugzeug ab. Es regnet nach wie vor heftig. Eine dicht geschlossene Wolkendecke verhindert jeden Blick zur Erde. Kurz vor Sizilien reisst sie aber auf und gewährt eine tolle Aussicht auf die Liparischen Inseln und kurz darauf auch auf den schneebedeckten Gipfel des Etna. Es ist unübersehbar: Sizilien ist eine recht bergige Insel.
Bei der Ankunft in Catania ist es schön und sehr warm. Unsere Velos sind - mal abgesehen von den platten Reifen - unbeschädigt angekommen. Wir brauchen über eineinhalb schweisstreibende Stunden, um alle vier Räder aufzupumpen und rund laufend hinzubekommen - die auf der Felge wandernden Reifen haben die Schläuche im Innern richtiggehend verwickelt. Es ist nicht das erste Mal, dass wir Fahrräder im Flugzeug mitgenommen haben -  darunter auch die aufgepumpten Reifen von Rennrädern - und uns ist noch nie ein Reifen geplatzt. Das wäre nun wirklich nicht notwendig gewesen!

Aber dann schwingen wir uns in den Sattel. Unser erster Eindruck von Sizilien ist ernüchternd. Halbfertige und zerfallende Häusern und Müll, soweit man sieht. Der Strassenrand ist gepflastert mit Plasticflaschen und anderem Unrat jeder erdenklichen Art. Kurz nach dem Überqueren des Flusses Fiume Simeto sitzen dann die Prostituierten am Strassenrand. Ein Regenschirm schützt sie vor der gnadenlos brennenden Sonne. Ausnahmslos alle dieser Frauen sind schwarz. Auch das ein deprimierendes Bild. Etwas weiter räumt Therese dann einen überfahrenen Hund von der Strasse. Wir fragen uns, wie wir vierzehn erholsame Tage in einer solchen Umgebung verbringen wollen.

Und es ist HEISS! Zwischen Lentini - wir haben den Ort nach einer längeren Steigung und einer kurzen Abfahrt erreicht - und  Carlentini wird die Strasse so steil, dass ich absteigen und mein Rad schieben muss. Vermutlich heisst Carlentini nur so, weil man da mit einem "Car" (sprich Auto) besser hochkommt als mit einem Fahrrad. Aber dann kommen wir - immer bergauf - auf eine schöne, karge Hochebene. Sowohl der Müll als auch der Verkehr sind hier oben kaum mehr vorhanden. Es folgt eine feine Abfahrt hinunter ins Tal des Fiumara Grande. Das Flüsschen führt sogar Wasser. Wir sehen aber leider keine Möglichkeit, von der darüber führenden Brücke hinunter zum Wasser zu kommen um uns abzukühlen. Nach der Brücke geht es wieder bergauf zu unserem Tagesziel Sortino. Wir sind ziemlich kaputt und richtig dankbar, dass die letzten zwei Kilometer zum Ort eine Abfahrt sind. Der fehlende Schlaf, die Hitze und die Steigungen haben ihren tribut gefordert. Wegen der Hitze - es sind um die fünfunddreissig Grad - haben wir Unmengen von Wasser und Orangensaft in uns hineingeschüttet. Die Dusche und das erste Bier des Tages im bereits von zu Hause aus reservierten Hotel Hyblon sind jetzt hochwillkommen.

Beim Anschliessen des Ladegeräts für die Akkus für den GPS Empfänger stelle ich fest, dass der mitgebrachte europäische Mehrfachstecker zwar für Spanien o.k. war, aber in Italien überhaupt nicht passt - die Stifte sind zu dick, und auch der Stiftabstand ist anders. Darum säge ich an einem Schweizerischen Dreifachstecker - Stiftabstand und Stiftdurchmesser sind o.k. - den Stift für die Erdung ab, und das passt!

Um 18 Uhr wird in Sortino zur Messe geläutet, und das ist wirklich hörenswert. Wie es scheint, erzeugt eine Person mit einem Hammer wütend gegen verschiedene Glocken schlagend einen extrem lauten und grauslich misstönenden Heidenlärm. Die Gläubigen, die zur Messe strömen, scheint das aber nicht zu stören.

Im Hotel bekommen wir ein echt italienisches Nachtessen mit verschiedenen Spezialitäten aus der Gegend und dem Ort: Es gibt unterschiedlichste Häppchen, Käse mit Honig und Pfeffer, gedeckte Pizzastücke mit Kartoffeln und Zwiebeln und, und, und ...
Dazu das ausgezeichnete italienische Bier Nostro Azzurro – wirklich lecker. Auch die Nachspeise mit Erdbeeren mundet uns ausgezeichnet.

Es ist jetzt kurz nach neun. Wir haben immer noch Durst. Aber jetzt heisst es "Gute Nacht" ...

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